#052015
ARTMUC 2015
PRATERINSEL MÜNCHEN
„Präsentation Kulturreferat #052015″
Konkrete Farbe
Oliver Winheim malt keine Landschaften. Dies ist die erste Illusion, über die sich der Betrachter seiner Bilder hinwegsetzen muss, um sich dem künstlerischen Ansatz zu nähern.
Gerade der Blick auf sein Gesamtwerk, welches im vorliegenden Heft anschaulich aufgefächert wird, zeigt, wie Winheim den Bezug zur realistischen Perspektiv- und Formgebung ganz gezielt und sehr reduziert verwendet. Seine Anlehnung an die natürliche Landschaft ist also vor allem als malerisches Mittel zu verstehen – genauso wie die Wahl der Formen, Strukturen, Muster und Perspektiven. Sie helfen dem Betrachter, Bezüge aufzubauen zu bereits Bekanntem, um das Auge zu einem intensiveren, tieferen Blick einzuladen.
Im Zentrum der Arbeitsweise von Oliver Winheim steht das prozesshafte, experimentelle Entwickeln des Bildes. Nachrangig in diesem Vorgang ist das Ergebnis, das erst ganz am Ende sichtbar wird. Dieser offene Ausgang ist zugleich auch die größte Abgrenzung seiner Arbeit zur Konkreten Malerei im ursprünglichen Verständnis – wenn auch die Behandlung der Farbe und der Einsatz geometrischer Strukturen bei Oliver Winheim durchaus dieser Tradition entspringen.
Hierbei muss zwischen zwei Stufen im malerischen Verfahren differenziert werden, die der Künstler grundsätzlich aufeinander folgen lässt.
Zunächst trägt er in einem langwierigen, forschenden Prozess mehrere Bildgründe auf, die später nur noch in einer Ahnung oder in Spuren zu sehen sind, oder das Bild durch ihre rein materielle Präsenz bestimmen. Für diese ganzflächigen oder partiellen Farbaufträge werden verschiedene, möglichst intensive Acrylfarben und Lacke verwendet. Ihre leuchtende Kraft in vielfacher Überlagerung nutzt der Künstler, um dem Bild Substanz und Raum zu verleihen. Es entstehen unterschiedliche Verhältnisse und Eindrücke von Tiefe oder Materialität, je nachdem, wie pastos oder durchlässig der Künstler arbeitet, wie sehr der Blick freigegeben oder bereits von der obersten Farbschicht aufgefangen wird. Besonders intensiv wirken zu unterst gelegene Farben, die der Künstler in schmalen, tiefen Furchen durch die noch nassen, oberen Farbschichten freilegt. Dieser oberste, meist sehr pastose Farbauftrag bestimmt nicht nur, wieviel dem Betrachter aus den unteren Bildgründen erhalten bleibt, sondern legt dem Bild auch seine äußere Struktur auf, bestimmt sein Motiv.
Erst in diesem letzten Schritt wird also die Idee von Landschaft definiert. Auch die in Winheims Arbeit sehr spezifischen, an die Kartografie angelehnten Rasterlinien, befinden sich ausschließlich in diesem letzten, gänzlich sichtbaren Duktus. Die pure Farbe (spesso), das Zeichen (dibujo) und die Form (scape) führen die Bildgründe in kraftvoller Komposition zusammen und ermöglichen dem Betrachter eine sinnliche Erfahrung von Malerei in ihrer ganzen Komplexität.
Maresa Bucher